0541 40 69 40

dr stefanie frohnecke anwaelte

Veröffentlichungen von Dr. Stefanie Frohnecke

Familienrecht: Zwangsumgang

Von Dr. Stefanie Frohnecke – Erzwungener Umgang widerspricht dem Kindeswohl, daher ist der Zwang zum Umgang verfassungswidrig.

So entschied das Bundesverfassungsgericht im April 2008. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein verheirateter Vater hat mit seiner Ehefrau zwei minderjährige Kinder. Aus einer außerehelichen Beziehung ist zudem ein weiteres Kind hervorgegangen. Die Vaterschaft hat der Mann anerkannt, er auch zahlt den gesetzlichen Unterhalt. Allerdings weigert er sich, dieses Kind zu sehen.

Das Amtsgericht lehnte einen entsprechenden Antrag der Kindesmutter des unehelichen Kindes ab, eine Regelung über den Umgang des Kindes mit dem Kindesvater zu treffen. In der nächsten Instanz holte das Oberlandesgericht ein Sachverständigengutachten im Hinblick auf das Kindeswohl ein. Der Kindesvater weigerte sich dabei, mit dem Kind zum Zwecke der Begutachtung und Verhaltensbeobachtung durch den Sachverständigen zusammen zu treffen. Daraufhin drohte das Oberlandesgericht dem Kindesvater ein Zwangsgeld für den Fall der weiteren Verweigerung des Umgangs mit seinem Kind an.

Gegen diesen Beschluss erhob der Kindesvater Verfassungsbeschwerde. Seiner Ansicht nach wurde durch die Androhung des Zwangs insbesondere sein Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit verletzt. Seine Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Auf der einen Seite besteht zwar das Recht des einen Elternteils, den Umgang mit seinem Kind auszuüben, also Besuchszeiten mit ihm zu verbringen. Auf der anderen Seite besteht allerdings auch grundsätzlich die elterliche Verpflichtung, eben diesen Umgang auszuüben.

Beides gilt unter der Voraussetzung, dass der Umgang dem Kindeswohl dient. Denn gerade der Umgang fördert den Aufbau und Erhalt der familiären Beziehungen. Ebenso ist der Umgang mit beiden Elternteilen für das Empfangen elterlicher Unterstützung und Erziehung für seine persönliche Entwicklung von maßgelblicher Bedeutung. Es ist einem Elternteil deshalb auch zumutbar, unter Einschränkung seiner Persönlichkeitssphäre zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden - wenn dies dem Kindeswohl dient.

Die Androhung einer zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht mit einem Elternteil gegen dessen erklärten Willen ist jedoch nicht dazu geeignet. Der Zweck des Umgangs, dem Kind zu einer gedeihlichen Entwicklung zu verhelfen und dass seine Eltern ihre Verantwortung ihm gegenüber zu seinem Wohle ausüben, wird durch den Zwang verfehlt und ins Gegenteil verkehrt. Der durch die Zwangsmittelandrohung bewirkte Eingriff in das Grundrecht des Elternteils auf Schutz seiner Persönlichkeit ist insoweit in der Regel nicht gerechtfertigt. Bei einem Umgang erwartet das Kind von seinem Elternteil nicht nur die körperliche Anwesenheit, sondern auch die emotionale Zuwendung. Sofern der Umgang jedoch unter Zwang zustande kommt, widersprechen diese Erwartungen den Gefühlen des Umgangsverpflichteten, die er dem Kind gegenüber hegt.

Ein solcher Widerwille wirkt sich unweigerlich auf das Kind aus. In diesem Fall gerät das es in eine Situation, in der es nicht die mit dem Umgang bezweckte elterliche Zuwendung erfährt. Statt dessen bekommt das Kind zu spüren, wie es als Person abgelehnt wird und zwar von seinem Elternteil. Dies birgt die große Gefahr, dass das Selbstwertgefühlt des Kindes dabei Schaden nimmt. Ein Kind kann schwerlich verstehen, weshalb sein Elternteil nichts von ihm wissen will und sich abweisend verhält, so dass es die Schuld dafür bei sich selbst suchen könnte. Dieses schadet dem Kindeswohl.